vom kopf an die wand

»Hier, für dich«, sagt meine Schwiegermutter und reicht mir ein Stück Stoff. Er leuchtet in kräftigem Rot und wirkt eindeutig handgefertigt. »Hast du das gemacht? Und was ist es?«, frage ich sie: »Ein Utensilo für die Wand«, erklärt sie, bevor sie hinzufügt: »Ursprünglich war es jedoch ein Teil meines Kopfschmucks«.

Dann zeigt sie mir ein altes Foto: »Das war an meinem Hochzeitstag«, sagt sie und deutet auf das Tuch, das sie auf dem Kopf trägt. »Damals gehörte dieser Stoff zu meiner Kleidung. Wir Frauen haben alles selbst hergestellt – gewebt, gefärbt, bestickt«. Sie lächelt, während sie das Bild betrachtet, das 1967 aufgenommen wurde.

In ihrem Heimatdorf, etwa 80 Kilometer nördlich von Sarajevo, war es damals noch üblich, dass Frauen ihre Trachten auch im Alltag trugen.
Doch mit den Jahren änderte sich das. Die Moderne verdrängte alte Traditionen, und Trachten wurden nur noch zu besonderen Anlässen getragen – und selbst das immer seltener. Die kunstvollen Stoffe jedoch blieben erhalten und fanden neue Verwendungszwecke, wie dieses Utensilo für die Wand.

ein gastbeitrag von jelena hamburg, 24. märz 2025