upcycling häkeltasche
Es ist ein Samstag im Oktober. Ich sitze auf einer Bank in Heiligenhafen und blicke auf die Ostsee. Dick eingepackt in einer warmen Jacke spüre ich, wie der Wind an meiner Kapuze zieht. In meiner Hand halte ich eine dicke Häkelnadel, das Garn dazu kommt aus meiner Tasche. Während sich mein Freund in die Wellen schmeißt, um zu windsurfen sitze ich am Strand und häkle – Touché!
Schon lange blicke ich neidisch auf die aus alter Bettwäsche gestrickt und gehäkelten Taschen meiner Mutter. Inspiriert von ihr fing ich eines Abends selbst an, meine alte Bettwäsche in Streifen zu reißen. Knifflig fand ich es die richtige Breite der Streifen zu bestimmen. Nicht nur war ich parallel dabei einen Serienmarathon abzuhalten, auch brauchte ich gleichzeitig dicke und dünne Streifen. Damit die Tasche später fest und stabil wird, mussten die Streifen ausreichend dick sein. Gleichzeitig wollte ich, dass die Tasche groß genug wird um Buch, Tablet, Portemonnaie, Schlüssel und sonstigen Kleinkram zu umfassen. Dafür musste ich sparsam mit meinem Material umgehen, denn so groß einem die Bettwäsche vorkommt, so viel Material frisst auch die Herstellung der Tasche. Letztendlich wurden die Streifen 2-3 cm dick; mal breiter, mal schmaler. Während Rachel, Monica; Phoebe & Co. im Central Perk Kaffee tranken (Bezug Serie »Friends«) riss ich also meine Bettwäsche in Streifen und ärgerte mich jedes Mal die Krätze, wenn ich den Fadenlauf unterbrach und ein neues Garnteil beginnen musste. Noch besser wurde die Laune, als ich den Punkt erreichte, an dem ich das ganze Garn zu einem Knäuel aufwickeln musste. Hand-Yoga hätte mir zwischendurch gutgetan, da die Arbeit großes Krampf-Potential beinhaltet. Da ahnte ich ja nicht, was noch auf mich zukam.
Zufrieden mit meiner Arbeit ließ ich das Projekt erst mal zwei Monate liegen. Bis ich auf die Idee kam, mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen. Das führt uns nun an den Strand von Heiligenhafen. Frohen Mutes fing ich mit einer langen Reihe Luftmaschen an und häkelte an beiden Seiten feste Maschen ein. An den Enden nahm ich je zwei Maschen zu, so, dass sich mit der Zeit und mit den Reihen ein Oval bildete. 45 Minuten und zehn steif gefrorene Finger später beschloss ich den Boden wieder aufzumachen. Warum? Das sah einfach nicht aus: Hier waren die Maschen zu fest, da zu locker. Immer wieder tauchten in unregelmäßigen Abständen die Enden der Bettwäsche auf, an der ich wieder in die andere Richtung gerissen hatte. Das sieht dann ein bisschen so aus, als ob da ein T-Shirt Label aus dem Boden rausguckt. Nur, dass es nicht eins, sondern 30 sind. Also gut: Kurz zum Auto Tee trinken, Finger aufwärmen – Zweiter Versuch: Ich nahm wieder dieselbe Anzahl an Luftmaschen und fing an. Diesmal trickste ich mich selbst aus und stopfte die »T-Shirt-Label« mit der Häkelnadel auf die andere Seite. Per Nachricht kam Zuspruch von Mama: »Das sieht man später nicht mehr, ist doch eh in der Tasche drin« – Danke. Gegen 17 Uhr waren nicht nur meine, sondern auch die Hände meines Freundes durchgefroren. Wir packten beide unser Material zusammen, es wurde dunkel und wir fuhren nach Hause.
Ich glaube ich fing die Tasche insgesamt noch drei Mal von vorne an. Jedes Mal blutete mein Herz, wenn ich die bereits getane Arbeit wieder aufribbelte. Ich glaube es gibt zwei Arten von Handarbeitenden: Diejenigen, die einfach drauf loslegen, üben, auch mal nicht perfekte Projekte machen und mit der Zeit lernen, wie man Dinge optimieren kann. Und diejenigen (und hier sehe ich mich) die es nicht akzeptieren können, wenn etwas nicht beim ersten Mal gelingt, Dinge immer wieder auflösen und von vorne anfangen, bis es (ungefähr) ihren Vorstellungen entspricht. (Spoiler: Ich liebe meine Tasche)
Irgendwann Ende Oktober, Anfang November war ich dann so weit: Das Grundgerüst der Tasche stand. Daraufhin wurden erst mal wieder die Füße hochgelegt; der Henkel kann warten.
23.456.321 Weihnachtsgeschenke und eine große Sylvester-Party später entschloss ich mich, dann doch dazu das Taschenprojekt fertig zu stellen. Aus dem Fundus meiner Mutter kramte ich ein breites schwarzes Koffeband und eine Blumenborte hervor. Mit der Nähmaschine nähte ich die Bänder aufeinander und legte sie an den kurzen Seiten um die Tasche. Beim Applizieren des Bandes auf das dicke Material Stoff der Tasche machte dann auch die Maschine schlapp. Die letzten Meter wurden mit der Hand genäht. Zum Schluss schnitt ich noch die Innentasche aus meinem Rucksack (die hat da eh nur genervt) und befestigte sie mit einem Metallring am neuen Henkel meiner Tasche.
Mit der Anzahl an Komplimenten, die ich bis jetzt für die Tasche bekommen habe, bin ich recht zufrieden 😉 Dennoch habe ich ein paar Learnings auf die Fahne geschrieben, was ich beim nächsten Mal anders machen möchte, denn da liegt noch ein ungenutztes Laken unter meinem Bett…
Learnings:
- Nächstes Mal leihe ich mir den Wollwickler meiner Mutter, damit ich das in Streifen gerissene Garn nicht per Hand zu einem Knäuel wickeln muss.
- Hand-Yoga: https://www.youtube.com/watch?v=NxC4LhOrMFw (externer Link)
- Kleinerer Boden, Tasche wächst auch in der Höhe + hilft beim Sparen von Materialien
- Für eine richtig große Tasche macht es Sinn zwei Sets alter Bettwäsche zu verwenden
- Der Einsatz von Fingerhüten bei festen Materialien macht Sinn
liva leipzig, 12. april 2024