tülldurchzug – tüllstickerei

Der Tülldurchzug und die Tüllstickerei haben ihren Ursprung in der Zeit der Industrialisierung, sie stellen eine kunstvolle Weiterentwicklung der traditionellen Spitzen- und Klöppeltechniken dar. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Entstehung und die verschiedenen Ausprägungen der Techniken sowie ihre Anwendungsmöglichkeiten.

die entwicklung der tüllstickerei

Die Geschichte der Tüllspitze beginnt mit der Entwicklung von maschinell hergestelltem Tüll im 19. Jahrhundert. Bis dahin war der feine Netzgrund von Hand gearbeitet worden, was zeitaufwändig und dadurch sehr kostspielig war. Der englische Ingenieur John Heathcoat revolutionierte die Tüllherstellung mit der Entwicklung der Bobinet-Maschine, die einen maschinell gefertigten Tüll produzierte, der dem handgefertigten Klöppelnetz in nichts nachstand. Diese neue Technologie ermöglichte es, Tüll schneller und günstiger herzustellen, was zur Verbreitung der Tüllstickerei beitrug.

Es wird zwischen zwei Haupttechniken der Tüllarbeiten unterschieden: Tülldurchzug und Tüllstickerei.

tülldurchzug: die technik des durchziehens

Der Tülldurchzug ist eine dem Tüllnetz angepasste Sticktechnik. Der Tüll wird mit dem Arbeitsfaden durchzogen, indem man eine Masche des Tülls auf, eine unter die Nadel nimmt, wie beim Stopfen. Daher sagt man auch der Tüll wird »durchstopft«. Es gibt den organischen und anorganischen Durchzug, vergleichbar mit einer gewebegebunden und einer formgebenden Stickweise auf dichteren Geweben. Beim organischen Durchzug wird entlang der Netzfeldreihen des Tülls in drei Richtungen gestopft. Das Muster wird, den Löchern des Gewebes folgend, ausgezählt.

Der anorganische Durchzug ist freier und nicht an die Struktur des Tüllgewebes gebunden. Man folgt einer unter den Tüll gehefteten, auf Pausleinen o.ä. übertragenen Musterzeichnung. Das Durchziehen erfolgt in der freien Hand ohne Einsatz eines Stickrahmens.

tüllstickerei: eine filigrane spitzenkunst

Die Tüllstickerei hingegen ähnelt den traditionellen Spitzenarten und wird nach einem festen Muster gearbeitet. Sie wird oft wie die Weißstickerei ausgeführt, wobei unterschiedlichste Techniken und Effekte zur Anwendung kommen. Neben der Veränderung der Netzstruktur des Tülls, kommen auch verschiedene Füllstiche, Applikationen und Nadelarbeiten zum Einsatz. Eine besondere Herausforderung bei der Tüllstickerei ist es, die Balance zwischen offenen und geschlossenen Texturstellen zu finden – ein Merkmal, das oft darüber entscheidet, ob ein Stück als echte Spitze bezeichnet wird.

Eine besondere Gattung ist die Limerickspitze, die ihren Ursprung in Irland hat. Diese Art von Tüllspitze wird in zwei Varianten hergestellt: als Tambour-Spitze und als Nadelspitze. Die Limerickspitze ist berühmt für ihre Vielfalt an zarten Füllungen und hat ihren Namen von der irischen Stadt Limerick, in der diese Technik noch heute gepflegt wird.

anwendungsbereiche

Tüllspitze fand in der Mode und im Wohnbereich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Sie wurde häufig verwendet, um Schals, Tücher, Handschuhe, Schleier sowie kirchliche Textilien zu verzieren. Auch für dekorative Zwecke wie die Ausschmückung von Gardinen und Decken, das Anfertigen von Volants oder das Hinzufügen von Einsätzen zu Kissen waren Tülldurchzug und Tüllstickerei eine beliebte Wahl.

material und werkzeuge

Für die Tüllstickerei wird in der Regel feiner Waschtüll verwendet, da dieser Stoff besonders gut für filigrane Arbeiten geeignet ist. Der Tülldurchzug wird hingegen meist auf groberem Tüll ausgeführt. Als Arbeitsfaden kommen verschiedene Arten und Stärken von Fäden zum Einsatz, die je nach gewünschtem Effekt und Technikanforderung variieren. Eine Stopfnadel mit stumpfer Spitze ist notwendig, um den Tüll zu durchziehen, ohne das Netzgewebe zu beschädigen.

fazit

Tülldurchzug und Tüllstickerei sind wunderschöne und vielseitige Handarbeitstechniken. Ob als dekorative Spitze oder als einfacher Durchzug – sie eignen sich hervorragend für die Verschönerung von Textilien.

Leider wird diese besondere Form der Stickerei heute nur noch selten in reiner Handarbeit gefertigt. Wenn überhaupt, findet man sie noch in der Haute Couture oder bei luxuriösen Brautkleidern, wo die hohe Kunst der Handarbeit noch geschätzt wird. Was sehr schade ist – denn gerade ihre filigrane Schönheit und handwerkliche Raffinesse machen diese Technik zu etwas ganz Besonderem.

Falls du Interesse daran hast es selbst einmal auszuprobieren, lass dich gern von unserem Beitrag inspirieren. Die Tüllstickerei erfordert Geduld und Präzision, aber mit etwas Übung können wunderschöne Ergebnisse erzielt werden.

Wir freuen uns über Anmerkungen und Hinweise, die zur Erweiterung und Verfeinerung dieses Artikels beitragen!

quellen

quellenverzeichnis enthält externe links:

Friedrich Schöner: SPITZEN  – Enzyklopädie der Spitzentechniken
VEB Fachbuchverlag Leipzig, 1982, 2. Auflage

Hermine Steffahny: Das große Handarbeitsbuch, Band 1
Verlag von W. Vobach & Co, Berlin, Leipzig, Wien, Zürich

Marie Niedner: Tüll-Arbeiten, Beyers Handarbeitsbücher. Band 43

Verlag Otto Beyer, Leipzig 1921

Marie Niedner: Tüll-Durchzug, Beyer Handarbeitsbücher. Band 7

Verlag Otto Beyer, Leipzig 1922

Mitzi Donner und Carl Schnabel: Ich kann handarbeiten. Illustriertes Hausbuch für die Techniken der weiblichen Handarbeit
Verlag Ullstein & Co, Berlin und Wien, 1914

Wilhelmine Wenz und Bilhildis Leck: Großes Handarbeitsbuch. 1. Band.Praktische Anleitung zur Erlernung sämtlicher Nadelarbeiten für Schule und Haus

Druck und Verlag von Josef Haben, Regensburg ca. 1915

Edith Wallach und Margarete Lang: Musterfilet und Tüllarbeiten, Ullstein-Handarbeitsbücher Band 17
Verlag der Ullstein Schnittmuster, Berlin, 1924

https://deutsch.wikibrief.org/wiki/Limerick_lace,   06.04.2025

andrea hamburg, 06. april 2025