teneriffa spitze
»Teneriffa-Spitze«, »Sol-Spitze«, »Sonnen-Spitze«, »Paraguay-Spitze«, »Spindelgepuire« oder auch: »Daisy Winder«. Ganz schön viele Namen für eine Handarbeit. Zurückzuführen sind diese verschiedenen Bezeichnungen auf eine weite Reise der Spitze durch die Weltgeschichte.
Wie alles begann:
Zu ihrer Hochzeit mit dem französischen König Karl VI trug die Braut Isabeau von Bayern im Jahre 1335 einen Schleier, bedeckt mit einer Vielzahl von Sonnen. Zum ersten Mal taucht an dieser Stelle der Geschichte vermutlich die Spitze auf, die wir heute als »Teneriffa-Spitze« kennen. Die Spitze, zusammengesetzt aus vielen kleinen stern- oder sonnenförmigen Mustern, galt damals als die kostbarste Nähspitze. Aufgrund der besonderen Grundform trägt sie den Namen »Sol-« oder (auf Deutsch) »Sonnen-Spitze«.
Fast zweihundert Jahre später, im Jahr 1529, ist die Spitze in einem italienischen Handarbeitsbuch als Klöppelarbeit zu finden. Dies ist aber die einzig historische Aufzeichnung, in der die Arbeit als »klöppeln« bezeichnet wird. Schnell scheint man sich einig zu sein, dass dies eine Form der Nähspitze ist.
Umzug nach Amerika:
In Spanien ist die Spitze sehr beliebt und siedelt so im 16. Jahrhundert, im Zuge der Kolonialisierung des amerikanischen Kontinents, nach Paraguay über. Hier entsteht die Bezeichnung »Paraguay-Spitze«. Jedoch nicht nur die paraguayischen Frauen interessieren sich für die Nähspitze aus Europa. Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern findet die »Teneriffa-Spitze« großen Anklang. So entwickelt sie sich dort zu einer Art Hausindustrie und erreicht auch die bürgerliche Mehrheit. In die Grundform werden zusätzlich kunstvolle Knoten, Schleifen und andere Muster eingearbeitet.
Zurück in Europa:
In dieser neuen Form findet die Spitze wieder ihren Weg nach Europa. Besonders in Frankreich erreicht sie schnell hohes Ansehen. Auch in Deutschland gewinnt sie mehr und mehr an Beliebtheit. Babyhauben, Tischdecken und Kragen werden aus ihr hergestellt. Durch die aufkommende Popularität in der europäischen Modelwelt müssen neue Geräte entwickelt werden, um den Herstellungsprozess zu vereinfachen. Somit wird die klassische Herstellungsart, eine Pappscheibe, durch drehbare Ornamentenspindeln abgelöst. Diese Entwicklung erklärt den Namen »Spindelgepuire«. Im gleichen Zeitraum wird das »Teneriffa-Rädchen« eingeführt, um die Spitze auch aus dickeren Materialien, wie z.B. Wolle herzustellen.
In seinen Ausführungen aus der Zeit der Jahrhundertwende (19. auf das 20. Jahrhundert) erklärt der Verleger Gerd Paul die Herstellung und Anwendung der Teneriffa-Spitze sehr ausführlich. Er stellt Schablonen mit verschiedenen Grundmustern vor. Am verbreitetsten sind zu seiner Zeit Modelle aus Metall. Außerdem gibt es noch Leinwandtrommeln mit Metallknöpfen zur Herstellung größerer Modelle. Aus den USA stammen die Teneriffa-Kissen, in denen nach einem bestimmten Plan Stecknadeln eingeführt werden, die zum Freihalten der Fäden dienen. Ebenfalls aus den USA stammt der Begriff »Daisy Winder« oder »Crazy Daisy Winder«. Aufgetaucht ist dieser Begriff in einem Handarbeitsheft ca. aus den 1950er Jahren. Der zweite Name lässt darauf schließen, dass die Herstellung einen auch, wortwörtlich, »verrückt« machen kann.
Sollte man mal keine Grundformen zur Hand haben, reichen auch Vorzeichnungen auf Leinen zur Herstellung der Teneriffa-Spitze. Diese Form wird dann nachgenäht und mit Hinterstichen versehen (siehe Abb. 10 von Gerd Paul). Diese Hinterstiche dienen im Anschluss der Befestigung des Fadens und ersetzen die herausragenden Spitzen.
Herstellung:
Zur Herstellung eines Teneriffa-Sterns werden etwa 90 cm Garn benötigt. Zunächst wird der Faden abwechselnd um die Stifte des Sterns gelegt. Ist das Rad völlig bespannt, fädelt man den Faden in eine Nadel ein. Wie beim Stopfen bildet man nun die Sternbasis, in dem man den Faden auf und ab durch die gespannten Fäden zieht. Nach zwei bis drei Runden ist der Stern fertig. Er wird vom Rädchen gelöst und auf der Unterseite vernäht. Durch die Schlaufen werden die einzelnen Sterne miteinander verbunden.
Das Verfahren ist genauer erläutert in den Schriften zur Teneriffa-Spitze von Gerd Paul. Auch unser Video auf Instagram verdeutlicht, wie viele Schritte nötig sind, um einen Stern der Spitze herzustellen.
quellen:
quellverzeichnis enthält externe links:
Paul, Gerd (ca. Ende 19. Jh. -Anfang 20. Jh.), Teneriffa-Spitze, gefunden als Einzelpapiere auf Ebay, vermutlich aus einem Handarbeitsheft
Stradal, Dr. Marianne (1957), Gezeigt – gekonnt! Handarbeiten im Fernsehen, Verlag W. Girardet, 1. Aufl., Essen
liva hamburg, 23. januar 2023