tauchlack
»Gibt es eigentlich noch Tauchlack?!«, lasen wir in einem Bastelforum. Erinnerungen aus der Kindheit kamen auf: Verregnete Nachmittage, Biegen und Formen von Draht, der Geruch von Chemikalien in der Nase – egal! – herrlich! In den 80er Jahren hat man darauf geschi****, gemeinsam mit der Schwester saß man beisammen und jedes Jahr hing zu Weihnachten neuer Schmuck am Tannenbaum. Damals war Tauchlack etwas Neues und bot einem den Thrill neue Techniken auszuprobieren. Häkeln und Stricken galt als öde, da war der giftig riechende Tauchlack eine aufregende Abwechslung!
Aber was genau ist Tauchlack eigentlich? Für alle die nicht in den 80er Jahren groß geworden sind, folgt hier die Aufklärung:
Tauchlack ist ein Speziallack aus den 1970er / 80er Jahren. Der gefärbte Lack wurde speziell entwickelt, um zuvor geformte Drahtfiguren durch das Eintauchen mit einem farbigen Film zu überspannen. Der Speziallack hat eine große Spannkraft, was ihm ermöglicht die Flächen zwischen den Drahträndern auszufüllen. Der Film, der sich über die Drahtform spannt, trocknet innerhalb weniger Minuten. Meist wird er jedoch noch zusätzlich mit einem Filmfestiger überzogen. Das hat den Effekt, dass der Lack noch härter und robuster wird; so bleiben die später entstehenden Stücke länger stabil. Zum vollständigen Durchhärten der Schichten dauert es einige Stunden, am besten lässt man die Figuren über Nacht trocknen. Den Tauchlack gab ab den 1970er Jahren in Bastelgeschäften in unterschiedlichen Farben zu kaufen. Die Farben ließen sich mischen, so, dass neben rot, grün, blau und gelb auch noch weitere Farben eingesetzt werden konnten. Trockneten die Lacke einmal ein, hatte man die Möglichkeit die Farben mit etwas Verdünnungsmittel wieder zu verflüssigen. (Damals. Heute geht das leider nicht mehr. Mehr dazu erfahrt ihr weiter unten.)
Um mit Tauchlack zu arbeiten benötigte man nicht mehr als den Lack, dünnen Draht, eine Schere, eine Styroporplatte und Filmfestiger. In einem ersten Schritt formte man den Draht (z.B. ein Blütenblatt). Durch das Eintauchen dieser Drahtform, in einem zweiten Schritt, und dem Wiederherausziehen der Form parallel zur Lackoberfläche, spannte sich zwischen den Drahtenden ein Film. Zum Trocknen steckte man die Drahtstiele anschließend in die Styroporplatte. Nach einigen Minuten hatte sich der Film verfestigt. Wie oben beschrieben wurde er daraufhin in einem vierten Schritt noch einmal in Filmfestiger getaucht. Dann hieß es warten. War der Filmfestiger ausreichend durchgetrocknet konnte man aus den einzelnen Stücken Blumen, Mobiles, Weihnachtsschmuck oder Broschen gestalten. Zur Verzierung wurden Emaille-Stifte, Glitzer, bunte Klebebänder und weitere Materialien verwendet. Ein paar Beispiele haben wir Euch aus einem Heft dazu abfotografiert.
Gerne hätten wir Euch mehr als nur ein paar Bilder aus einem Anleitungsheft gegeben. Groß war die Freude, als wir secondhand ein noch original-verpacktes Tauchlack-Set von Pelikan aus den 80er Jahren ersteigerten. Dementsprechend riesig war die Enttäuschung, als wir feststellen mussten, dass der Tauchlack nach 40 Jahren nicht mehr so flüssig war, wie damals. Auch das Verdünnen hat ihn nicht wieder einsatzfähig gemacht. Trotzdem angefixt suchten wir nach Möglichkeiten den Tauchlack neu zu kaufen, wurden jedoch schnell zu Alternativen umgeleitet. Was also ist in der Zwischenzeit passiert?
Etliche Gerüchte im Internet verweisen darauf, dass der Tauchlack aufgrund seiner ungesunden Inhaltsstoffe vom Markt genommen wurde. Tatsächlich lag es aber einfach am abnehmenden Trend. Auf Nachfrage bei Pelikan erhielten wir die Informationen, dass das Unternehmen seit Mitte der 1970er Jahre ein stetig wachsendes Angebot an Hobby- und Freizeitprodukten hatte. Dazu gehörten neben unserem Tauchlack-Set auch Bauern- und Stoffmalerei-Sets oder Transparentmalfarben. Dieses bunte Sortiment wurde dann ab Mitte der 1980er wieder sukzessive eingestellt. Grund hierfür waren allerdings nicht gesundheitliche Bedenken, sondern einfach, dass der Trend zu Ende ging.
Also erfreuen wir uns weiterhin an schönen Kindheitserinnerungen und suchen nach (umweltfreundlicheren) Alternativen.
andrea und liva hamburg, 02. juli 2023