strohschuhe
Wer von Euch kennt »Polly Patent«? Eine Woche vor Heiligabend bricht sich Pollys Großmutter, in der gleichnamigen Geschichte von Astrid Lindgren (externer Link), das Bein. Doch wer kümmert sich nun um das Weihnachtsgeschäft? Entschlossen übernimmt Enkelin Polly den Verkauf auf dem eisigen Weihnachtsmarkt. Damit ihre Füße nicht erfrieren, hat sie etwas ganz Besonderes dabei: die Strohschuhe.
Auch ich fand im Schuhschrank meiner Oma Strohschuhe. Mehr als, dass sie vor Kälte schützen, konnte sie mir aber auch nicht erzählen. Mithilfe des Schwarmwissens unser Instagram-Community (externer Link) erfuhren wir mehr über dieses besondere Schuhmodell:
Das Material: Stroh
»Stroh« ist im Grunde genommen ein Sammelbegriff für verschiedene Getreidesorten. Dazu gehören z.B. Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel. Die größte Verwendung findet Stroh in der Landwirtschaft. Es wird aber auch als Brennmaterial, im Handwerk (Bau- und Dämmstoff) und so auch in der Handarbeit verwendet. Stroh ist wärmend, robust und widerstandsfähig. So werden oft Körbe verschiedenster Art aus Stroh geflochten. Zu den bekanntesten Beispielen gehören Aufbewahrungs- oder Bienenkörbe. Aufgrund der robusten Eigenschaft liegt es nahe auch Schuhe aus dem Material herzustellen.
Formen von Strohschuhen
»Ich habe solche Schuhe mit Gummisohlen drunter und innen buntem Futterstoff«, schrieb uns eine Followerin. Andere schickten Fotos von bestickten Versionen oder berichteten von ähnlichen Modellen, die mit Teer für den Einsatz im Schnee gewappnet wurden. Eine Schuhwerkstat aus dem Schwarzwald (externer Link) wirbt auf ihrer Website mit weiteren Modellen. Dazu gehören: Sommerschuhe mit Schlitzen an der Seite, gefütterte Allwetterschuhe, lustige »Fasnetschuhe«, eingenähte Strohschuhe, einfache Hausschuhe und Schuhe, die aus Stroh gehäkelt werden.
Herkunft von Strohschuhen
Wie bereits erwähnt, kommen viele der Strohschuhe aus dem Schwarzwald. Das bestätigten uns viele Rückmeldungen. Aber auch in anderen Kulturen hat man sich die wärmende Funktion zu Nutze gemacht und Schuhe aus Stroh gearbeit. In Japan bezeichnet man sie als »Waraji« in Russland als »Lapti«.
Strohschuhe in Europa:
Im Hochschwarzwald werden die Strohschuhe als »Fichten« bezeichnet« und noch heute geflochten. Auch in Oberösterreich gibt es verschiedene Werkstätten oder Einzelpersonen, die die Schuhe auf Nachfrage noch herstellen. Aus der Region Schardenberg (Österreich) erzählt eine alte Frau, die die Strohschuhe noch heute selbst herstellt, dass das früher »Arme-Leute-Schuhe« waren. Die Schuhe wurden aus den Materialien geflochten, die gerade zur Hand waren, das konnte Stroh, Maisblätter, Schilf oder auch Seegras sein. Teilweise wurden auch, wie für Flickenteppiche, Lumpen eingesetzt. Innen wurden die Schuhe mit Resten aus alten Pullovern gefüttert. Sollten die Schuhe nicht als Hausschuhe eingesetzt werden, sondern auch draußen getragen werden, fertigte man aus alten Stiefeln eine Sohle. Die Herstellung erfolgte also aus Resten, die nicht mehr gebraucht wurden. Die Leisten lieh man sich vom Schuster oder hat sie sich aus Holz selbst geschnitzt. Die Schuhherstellung war meist Männersache.
Strohschuhe aus Russland:
Zeitgleich fanden wir ein Paar russische Strohschuhe auf dem Flohmarkt. Die russischen »Lapti« werden meist von Menschen in den ländlichen Dörfern getragen. Im Vergleich zum Filzstiefelmodell »Valenki«, die als Dorfschuhwerk im Winter eingesetzt werden, haben sich die »Lapti« weniger etabliert und werden meist nur noch als Souvenir-Artikel gehandelt. Unter den »Lapti« trug man oft Stoffbahnen, die die heutigen Socken ersetzten.
Verwendung von Strohschuhen
Die wärmende und robuste Funktionsweise der Strohschuhe erlaubt eine Vielzahl an Verwendungsmöglichkeiten. Ob als Hausschuh, Überschuh, oder Sandale; oft ist die Form des Schuhs, wie auch bei allen anderen Schuhen, entscheidend für ihren Einsatz. Jedoch ist anzumerken, dass die Widerstandsfähigkeit des Materials auch zu einem unangenehmen Tragegefühl führen kann, je nachdem, wie dick die Schuhe geflochten sind.
Verwendung beim Militär:
Damit die Zehen bei eisigen Einsätzen nicht abfroren trugen viele Soldaten während des Winters Strohschuhe. Teilweise als Überschuhe, teilweise nur so. Eine Followerin berichtet, dass ihr Vater so etwas ähnliches bei seinem Militärdienst in der sowjetischen Armee während der 70er Jahren tragen musste.
Verwendung im Faschingl:
Sehr kontrastreich zur Verwendung beim Militär, ist der Einsatz im Fasching. Oft werden die Strohschuhe, wie bereits in einem vorangegangenen Absatz erwähnt, als »Fastnachtschuhe« bezeichnet. Viele Menschen nutzen die Schuhe, um damit ihre (oft: Hexen-) Verkleidung abzurunden.
Verwendung im Haus:
Zurück bei der wärmenden Funktion, kommen die Strohschuhe wahrscheinlich als Hausschuhe am meisten zum Einsatz. Mit einem kuscheligen Innenfutter und einer rutschfesten Sohle ist der Stroh-Hausschuh sicherlich in vielen Haushalten weltweit zu finden.
Herstellung von Strohschuhen
In einem unserer historischen Handarbeitsbücher, fanden wir eine Anleitung zur Herstellung der Strohschuhe von 1953:
»Man macht zuerst die Sohle, fängt wie bei Abb. 459 in der Mitte an, nimmt den Zopf hierbei aber hochkant, damit die Sohle dicker wird. Ist die Sohle groß genug, so führt man den Zopf gleich weiter zum Oberteil und näht ihn nun aufeinander – ähnlich wie bei dem Stohkorb auf Abb. 436. Man legt den Zopf spiralförmig rund herum und geht, je nach der Stärke des Zopfes, vier- bis fünfmal herum. Damit es eine gute Spitze gibt, muss man vorn entsprechend viel einhalten. Das Ende des Zopfes wird vorn in eine Rosette gelegt und die Lasche damit so weit vergrößert, dass der Schuh vorn gut anschließt.«
Ruth Zechlin, Werkbuch für Mädchen – Zugleich auch für Mütter, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen, 13. Erweiterte Auflage, Otto Maier Verlag Ravensburg, 1953
Wer also Lust hat selbst aktiv zu werden, ist gerne eingeladen, die Strohschuhe entsprechend zu flechten. Wir freuen uns über weitere Berichte und Fotos der Ergebnisse.
Ein großes Dankeschön richtet sich an dieser Stelle an all diejenigen, die mitrecherchiert und uns geholfen haben, diese Informationen zusammenzutragen. Es ist schön gemeinsam die Welt der Handarbeiten zu erhalten.
quellen:
Nicole Arnold 2019: Strohschuhe: Tradition im Schwarzwald, Blogbeitrag: Schuhstation.de: https://www.schuhstation.de/blog/strohschuhe-schwarzwald/ (letzter Zugriff: 21. September 2023)
Ruth Zechlin, 1953: Werkbuch für Mädchen – Zugleich auch für Mütter, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen, 13. Erweiterte Auflage, Otto Maier Verlag Ravensburg
liva hamburg, 21. September 2023