nadel-spitzen

»Die Krone aller weiblichen Handarbeit bildet die Nadelspitze, die in verschiedensten Arten und unter verschiedensten Namen in der ganzen Welt bekannt ist als Reticella-, Venetianer Spitze, Reliefspitze, Punto Rosalinde, Point Golbert, Point d‘Alencon, Point d‘Argentan, Brüsseler Nadelspitze, Schlesische Nadelspitze u.a.m. Allen echten Nadelspitzen ist es gemeinsam, dass sie nur aus Leinenzwirn mit der Nadel ohne jede Zuhilfename irgendwelchen Stoffes hergestellt werden. Zu der technischen Kunstfertigkeit, die zur Anfertigung einer Nadelspitze gehört, muss ein künstlerischer Entwurf kommen, um die Nadelspitze zu einem wirklichen Kunstwerk, […] zu machen.«

So beginnt Gussi von Reden das 1921 erschienene Handarbeitsheft, in dem Sie sich ganz der Nadelspitze widmet. Wichtig ist an dieser Stelle zwischen Nadel- und Klöppelspitze zu unterscheiden. Beide Spitzenarten sind handgefertigt, jedoch werden bei der Herstellung von Nadelspitze ausschließlich Nadeln verwendet. Diese meisterhafte Technik besteht eigentlich nur aus Knoten und dem Schaffen von Verbindungen zwischen ihnen, wodurch wunderschöne Muster entstehen. Durch detailgetreue Abbildungen wird im Heft ersichtlich, wie genau die Spitze hergestellt wird. Wie aufwendig das ist, spiegelt das Beispiel des Brautschleiers von Prinzessin Viktoria Luise von Preußen wieder. An dem wunderschönen Stück (siehe Foto 12) saßen zeitgleich 70 Arbeiterinnen wodurch der Schleier »schon in sechs Wochen fertig wurde«. Neben der Reinheit und Jungfräulichkeit die Spitze, z.B. in Form eines Brautschleiers vermittelt, steht sie aber auch für das Verlangen wie z.B. bei aus Spitze hergestellter Reizwäsche.

Aufgrund ihrer großen Beliebtheit bildeten sich im 17. und 18. Jahrhundert schnell einige Nadelspitzenzentren in Frankreich und Belgien (Brüssel). Ursprünglich stammt die Spitze aber aus Venedig, wo einige Näherinnen Ende des 16. Jahrhunderts anfingen diese Technik als Alternative zum Sticken zu entwickeln. Daher kommen auch die italienisch und französisch geprägten Namen für die verschiedenen Arten der Nadelspitze. Andere Quellen wiederum belegen, dass die Spitze aus dem Orient kommt. Dies ist jedoch sehr schwer zu recherchieren.

Ist die Herstellung schon schwierig, so wird es bei der Pflege und Wäsche nur noch komplizierter. Zum Waschen muss die Spitze auf eine gelöcherte Tonflasche aufgewickelt werden, die mit Flanell bezogen ist. Im nächsten Schritt wird die Spitze mit Mull bedeckt und für ca. 24 Stunden in einer guten Seifenlauge eingelegt. Danach kocht und spült man sie im Wechsel immer wieder leicht und vorsichtig aus. Abschließend wird die Spitze mit klarem Wasser abgespült und an der Luft getrocknet. Bevor sie jedoch komplett getrocknet ist wird die Spitze von der Flasche genommen und mit (wichtig) rostfreien Nadeln auf einem weißen, frischbezogenem Kissen befestigt, wobei die linke Seite oben liegt. Für ganz feine Spitze wird auch Gelantinewasser verwendet. Möchte man die Spitze etwas Gold färben, so wird dafür Kaffee oder etwas Safran verwendet.

Alle Informationen, die wir nicht aus dem Heft entnommen haben, haben wir aus dem Material Archiv (externer Link) wo Ihr in einem etwas ausführlicherem Beitrag noch mehr über Herstellung und Geschichte

Quellen:

Gächter, Marianne (2019), Nadelspitze, Materialarchiv.ch: https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1908?maapi:f_all_groups=ma:group_972 (letzter Zugriff: 24. April 2023).

von Reden, Gussi (1921), Nadel-Spitzen, Beyers Handarbeitsbücher der »Deutschen Moden-Zeitung«, Band 15, Verlag Otto Beyer, Leipzig.

quellen:

Reden, Gussi von (1921): Beyers Handarbeitsbücher der Deutschen Modezeitung. Nadel-Spitzen, Band 15, Leipzig: Deutschland, Verlag Otto Bayer.

liva hamburg, 03. oktober 2022