»käthe« von johanna tiedke

Was zeichnet für Euch den Prozess des Erinnerns und Vergessens aus?

In ihrer Arbeitsreihe »Käthe« setzt sich die Künstlerin Johanna Tiedke schon seit 2014 mit genau dieser Thematik auseinander. Dafür nutzt sie die Stickereien ihrer an Demenz erkrankten Großtante Käthe. In einem Prozess aus Fotografie, Digitalisierung und Druck bearbeitet sie die Handarbeiten und schafft so eine moderne Bildsprache.

Durch unsere Mitgliedschaft im Verein der griffelkunst sind wir auf das Werk von ihr aufmerksam geworden, welches uns aufgrund seiner Beziehung zur Handarbeit besonders gefallen hat.

Neben »Käthe V.« gibt es noch weitere Werke aus der Reihe, die ebenfalls auf verschiedene Weise Bezug zur Handarbeit aufnehmen. Details ihrer Arbeiten sind auf ihrer Website zu finden. Wir haben uns näher mit der GRIFFELKUNST EDITION »Käthe V.« auseinandergesetzt.

Johanne Tiedke selbst ist 1981 in Eckernförde geboren, hat an der HfBK in Hamburg und der Milton Avery Graduate School of the Arts, Bard College in New York studiert und an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen teilgenommen. Unter anderem stellte sie ihre Werke auf der Zeche Zollverein in Essen, im Salon der Gegenwart in Hamburg oder im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf aus (Details sind auf ihrer Website nachzulesen). Demnächst ist eine Ausstellung im Goethe-Institut in New York geplant. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin.

Noch bis ins hohe Alter stickte Johanna Tiedkes Großtante Käthe. Ihre Arbeiten halten den stetig fortschreitenden Erinnerungsverlust fest: Lose Enden, Muster, die nicht zu Ende gestickt wurden, Ornamente, die sich in leeren Linien verlieren.

Genau diese Elemente greift Johanna Tiedke auf. Die digitalisierten Scans der Stickereien bearbeitet sie so, dass der Prozess des Erinnerns und Vergessens noch deutlicher wird. Zum Beispiel übersetzt sie Kreuzstiche in Pixel oder löst zusätzliche Motive auf. Weiter radiert sie diese Vorlagen in Zinkplatten und scannt sie erneut ein. Einzelne Motive legt sie anschließend übereinander, bevor sie sie im UV-Druck auf Glas überführt.

Am Ende besteht das Werk aus sechs einzelnen Glasplatten, die zusammengesetzt wieder das gesamte Stickbild ergeben. Somit nutzt Johanna Tiedke die einzelnen Platten, um den Fragment-artigen Charakter des Vergessens darzustellen. Das Überlagern und Überschreiben verschiedener Zeit- und Motivebenen machen die Leerstellen im Gedächtnis ihrer Großtante sichtbar.

Nicht nur möchte Johanna Tiedke aber mit ihrem Werk auf die Demenz (ihrer Großtante) aufmerksam machen, vielmehr ist sie mit »Käthe« auf der »Suche nach einer Bildsprache die das Unausgesprochene, Verdrängte und Vergessene sichtbar werden lässt« (griffelkunst 2018).

Handarbeiten sind überall zu finden, sei es im Kleiderschrank, auf Märkten oder eben in der Kunst. Sie sind nicht nur in ihrer Ausführung vielseitig, sondern auch in ihrer Überführung in andere Kunstfertigkeiten. Dabei wird je ein anderer Zweck verfolgt, sei es das Festhalten von Erinnerungen, das bloße Vergnügen oder eben die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen.

quellen:

quellenverzeichnis enthält externe links:

Offizielle Website von Johanna Tiedke: https://johannatiedtke.com/ (letzter Zugriff: 20. Juni 2023)

Stephanie Bunk (2018). Johanne Tiedke – Lose Enden. Griffelkunst e.V. (2023): https://www.griffelkunst.de/kuenstler-innen/tiedtke (letzte Zugriff: 20. Juni 2023)

liva hamburg, 25. juni 2023